Luxemburgische Neutralität

Die „ewige“ Luxemburgische Neutralität wurde im Londoner Vertrag von 1867 vereinbart, wobei sie kollektiv durch die Signatarmächte Frankreich, Österreich-Ungarn, Niederlande, Preußen, Italien und Russland garantiert wurde.
Entstehung
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Napoleon III. beanspruchte für Frankreichs Neutralität im preußisch-österreichischen Krieg von 1866, der zur Auflösung des Deutschen Bundes geführt hatte, eine Kompensation. Dazu wäre der preußische Ministerpräsident Bismarck tendenziell bereit gewesen, einen Verkauf Luxemburgs durch den niederländischen König Wilhelm III. an Frankreich stillschweigend zu tolerieren. Da Luxemburg Mitglied im Deutschen Zollverein war und auch die Bundesfestung Luxemburg als deutsche Garnison aufwies, wäre eine solche Transaktion schwierig gewesen. Ein offizieller Verzicht auf das als „deutsch“ empfundene Gebiet hätte die süddeutschen Regierungen und Monarchen sowie die deutsche Öffentlichkeit empört. Napoleon drängte auf das versprochene „Trinkgeld“. Der Erwerb Luxemburgs hätte ihn innenpolitisch gestärkt und zugleich den deutschen Festungsring gegen Frankreich gelockert. Als die Niederlande, die sich durch das erstarkte Preußen bedroht fühlten, zusätzlich ein Bündnis mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich anstrebten, wurden die komplizierten Positionen unversöhnlich und öffentlich. Auf dem Höhepunkt der teilweise öffentlich ausgetragenen Luxemburgkrise drohte ein Krieg und es wurde versucht die Krise europäisch konzertiert zu deeskalieren. Die erste Anregung für einen multinationalen Garantievertrag zugunsten eines neutralen Luxemburgs zur Lösung der Krise kam wahrscheinlich von Heinrich von Oranien-Nassau, dem niederländischen Statthalter von Luxemburg und Bruder des niederländischen Königs. Als Frankreich und Preußen ein gesichtswahrendes Einlenken signalisierten initiierte Alexander Michailowitsch Gortschakow die Londoner Konferenz (1867). Luxemburg wurde unter europäischer Garantie neutral, Preußen verzichtete auf das Garnisonsrecht in der zu schleifenden Bundesfestung Luxemburg und Frankreich sah vom Erwerb Luxemburgs ab. Die vertragliche Kollektivgarantie war ohne wirkliche Kraft, da sie in den Augen der Briten erst griff, wenn alle Beteiligten einer Intervention zustimmen würden. Die Garantiemächte waren Preußen, Frankreich, Italien, Niederlande, Russland und Österreich-Ungarn. Belgien war zwar Vertragspartner, aber, da es selbst neutral war, zählte es nicht zu den Garantiemächten.
1868 wurde die Neutralität in die Luxemburgische Verfassung aufgenommen.
Wirkung und Ende
| ]Luxemburg blieb auch nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und der Reichsgründung im deutschen Zollverein. Deutschland übernahm den Betrieb der Wilhelm-Luxemburg-Bahn unter der Zusage, dass diese zur Wahrung der Luxemburger Neutralität im Kriegsfall nicht zu militärischen Zwecken verwendet würde. Politisch und wirtschaftlich geriet Luxemburg zusehends unter deutschen Einfluss, währenddessen starb 1890 Wilhelm III. und die Personalunion mit den Niederlanden löste sich aufgrund der Erbfolge durch Adolph von Nassau als Großherzog von Luxemburg auf. Die luxemburgische Bevölkerung war auf die Wahrung ihrer Sonderstellung zum Reich bedacht und wollte nicht preußisch werden (mer welle gor keng Preisen gin). Darüber hinaus gab es eine Vielfalt verwandtschaftlicher Beziehungen zu Frankreich als Gegengewicht zur Orientierung nach Deutschland.
Im Schlieffen-Plan war die Verletzung der Neutralität Belgiens und Luxemburgs durch die Garantiemacht Deutschland (Rechtsnachfolger Preußens) vorgesehen. Zur Durchführung des Aufmarsches gegen Frankreich wurden die luxemburgischen Eisenbahnen benötigt. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges marschierten deutsche Truppen bereits am 2. August 1914 noch vor der deutschen Kriegserklärung an Frankreich in Luxemburg ein.
Im Friedensvertrag von Versailles (Art. 40) stimmte Deutschland und im Friedensvertrag von Saint-Germain (Art. 84.2) Österreich einer Aufhebung der Neutralität Luxemburgs zu. Die Aufhebung wurde aber nie völkerrechtlich vollzogen. Der (nie ratifizierte) Beitritt Luxemburgs zum Völkerbund wäre mit Beistandsverpflichtungen verbunden gewesen, die streng gesehen nicht einer vollständigen Neutralität entsprochen hätten, aber Luxemburg hielt an seiner Neutralität und der Gültigkeit des Londoner Vertrages fest. Nach dem Bruch des Vertrages von Locarno und der völkerrechtswidrigen Remilitarisierung des Rheinlands durch Deutschland wurde die Sicherheitslage Luxemburgs schwierig, zumal sich London und Paris nicht mit dessen Schutz belasten wollten. Deutschland forderte zunehmend Zugeständnisse von Luxemburg, versicherte aber andererseits vor dem Überfall auf Polen Ende August 1939, im Kriegsfall die Neutralität der Beneluxstaaten zu beachten. Am Tag des deutschen Überfalls auf Luxemburg floh die luxemburgische Regierung am 10. Mai 1940 ins Exil. Am 1. Januar 1942 unterzeichnete die Luxemburger Exilregierung auf der Arcadia-Konferenz im Namen der Anti-Hitler-Koalition die Deklaration der Vereinten Nationen. Luxemburg war in der Folge kriegführend ohne Kriegserklärung und beteiligte sich mit einem kleinen Kontingent an der belgischen Brigade Piron.
Am 30. November 1944 führte Luxemburg die allgemeine Wehrpflicht ein.
Die Frage der „unbewaffneten“ Neutralität
| ]Aus der Vereinbarung die Festung schleifen zu müssen und der kollektiven Neutralitätsgarantie, leiteten die meisten Luxemburger Historiker eine Pflicht zur unbewaffnete Neutralität ab. Luxemburg entwickelte nie das militärische Potential zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit, obwohl die dauerhafte Neutralität spätestens mit dem fünften Haager Abkommen vom 18. Oktober 1907 (Rechte und Pflichten neutraler Mächte im Landkrieg) dies verlangte. Durch das Schleifen der Festung war Luxemburg Stadt de facto die Verteidigungsmöglichkeit genommen, es war dem kleinen Land aber nicht untersagt außerhalb der Stadt Truppen und militärische Infrastruktur zu unterhalten. Das Auseinanderklaffen zwischen Können und Sollen der Luxemburger Neutralität war eine Charakteristik der damaligen Luxemburger Außenpolitik. Man verlangte leicht und viel von den Garantiemächten ohne selbst etwas anbieten zu können.
Literatur
| ]- Lex Folscheid: Die Rechte und Pflichten von neutralen Staaten. In: Forum. Nr. 257. Luxemburg Juni 2006, S. 25–28 (forum.lu [PDF]).
- Steve Kayser: La neutralité du Luxembourg de 1918 à 1945. In: Forum. Nr. 257. Luxemburg Juni 2006, S. 36–39 (forum.lu [PDF]).
- Franz Petri: Belgien, Niederlande, Luxemburg von der Krise 1867 bis zum Ende des 1. Weltkriegs (1867-1918). In: Theodor Schieder (Hrsg.): Handbuch der Europäischen Geschichte. Band 6. Union Verlag, Stuttgart 1973, ISBN 3-8002-1111-4, S. 466–493.
- Jost Dülffer, Martin Kröger (Historiker) und Rolf-Harald Wippich: »Die Ruhe sichern«. Die kontrollierte Krise um Luxemburg 1867". In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Vermiedene Kriege: Deeskalation von Konflikten der Großmächte zwischen Krimkrieg und Erstem Weltkrieg, 1865–1914. Oldenbourg, 1997, ISBN 978-3-486-56276-7, S. 167–186, doi:10.1515/9783486830347-011.
Weblinks
| ]- Le Traité de Londres (1867). The World War I Document Archive, abgerufen am 3. September 2025 (französisch).
Einzelnachweise
| ]- »Die Ruhe sichern«. Die kontrollierte Krise um Luxemburg 1867. S. 168 f., 171 f., 174.
- »Die Ruhe sichern«. Die kontrollierte Krise um Luxemburg 1867. S. 182–184.
- Steve Kayser: La neutralité du Luxembourg. S. 36.
- Franz Petri: Belgien, Niederlande, Luxemburg von der Krise 1867 bis zum Ende des 1. Weltkriegs (1867-1918). S. 475 f.
- Franz Petri: Belgien, Niederlande, Luxemburg von der Krise 1867 bis zum Ende des 1. Weltkriegs (1867-1918). S. 487.
- Gerd Krumeich: Juli 1914: Eine Bilanz. Schöningh, 2013, ISBN 978-3-506-77592-4, S. 171.
- Franz Petri: Belgien, Niederlande, Luxemburg von der Krise 1867 bis zum Ende des 1. Weltkriegs (1867-1918). S. 493.
- Steve Kayser: La neutralité du Luxembourg. S. 36 f.
- Paul Bruppacher: Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. 3., überarbeitete Auflage. Band 2. Books on Demand, 2018, ISBN 978-3-8423-8627-3, S. 142.
- Steve Kayser: La neutralité du Luxembourg. S. 38.
- Lex Folscheid: Die Rechte und Pflichten von neutralen Staaten. S. 256 f.
- Außenpolitik (Luxemburg)
- Militär (Luxemburg)
- Völkerrecht
- Luxemburg im Zweiten Weltkrieg
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